laut.de-Kritik

Konfetti-bunter Glam-Folk-Pop mit Melodien wie Brause-Bonbons.

Review von

Folk-Pop schreibt man der Band Half Moon Run zu. Außergewöhnlich gut tanzen lässt sich zu deren Album "A Blemish In The Great Light". Auch der fett aufgetragene, westcoastig sonnengetränkte Optimismus dieser Platte ist bei Folkmusik eher selten. "Together we stop them all", wiederholt der Lead-Sänger Devon Portielje mit unglaublichem Glamour in der Stimme. Und diesem Glamour-Glitter geht nie die Puste aus, mit Festigkeit und Nachdruck schiebt der Frontmann all seine Zeilen an, Zeilen wie "Ich sehe dich in meinen Albträumen, und ich sehe dich in meinen Träumen." Oh ja, es gibt gleich mehrere traumartige Komponenten in dieser großartigen Songsammlung.

Das Album läuft traumhaft schön durch, was sich einer beeindruckend geschmackssicheren Dramaturgie verdankt. Es gibt keine lahmen oder halbherzigen oder falsch platzierten Passagen, die einen aus dem Träumen herausreißen könnten, das vom Power-Pop am Anfang über Country-Momente, Grunge-Breaks und sanftem Instrumental-Prog wieder zu Power-Pop zurückführt.

Zum Traumaffinen zählt, dass sich die Band 'Halbmond-Rennen' oder 'Halbmond-Verlauf' nennt. Tatsächlich eignet sich auch die Musik mehr für mondbeleuchtete Nächte als für schnöde Tagesstunden. Denn diese Sounds entfalten ihre volle, Fantasie anregende Wirkung am besten, wenn man für die Musik ganz Ohr und mit ihr alleine ist und keine Posteingänge, kein Straßenverkehr, kein Stress und kein Licht stören. Zugleich dürften etliche Tunes auf Tanzflächen funktionieren, den richtigen zumindest: "Natural Disaster", "Favourite Boy", "New Truth" oder der Opener "Then Again".

Und dann gibt es noch etwas Traumverwandtes: wenn sich durchchoreografierte mehrstimmige Vokal-Harmonien mit einem lockerflockigen Joshua Kadison- oder Bruce Hornsby-artigen Piano-Beat vermählen und säuselnde subtile Synthie-Wolkensounds das Erbe des "Dream Weaver" Gary Wright antreten, wie im vortrefflichen "Black Diamond". "Yani's Song" wandelt sich nach einem straighten Akustikgitarren-Intro in verspielten Dream Pop, vollständig mit akustischen Mitteln. Eine 'presto' gespielte Mandoline klingt hier wie weiches Wasserplätschern.

Das Meisterstück bauen Half Moon Run in "Razorblade". Ein nahe stehender Mensch wird zur Rasierklinge, und der Song entwickelt sich im Laufe seiner 7 Minuten 30 zu einer so schrägen Klangcollage wie "A Day In The Life" von The Beatles. Das passt, weil der Sänger wie eine Mischung aus John Lennon, Marc Bolan, Ezra Koenig, Mayer Hawthorne und Nathan Willett klingt, was mal keine schlechte Klangfarbe ist.

Wirklich keiner kann am Anfang ahnen, wie dieses Lied, "Razorblade", das mit vergiftetem Wasser und dem Traum vom Paradies beginnt, endet. Weil man das bei Krimifilmen auch nicht verrät, sparen wir uns das hier, nur so viel: Da überlagern vier Song-Ideen einander und verkraken sich zu einer. Was am Anfang wie Cold War Kids klingt, wirkt am Ende wie wenn Kristin Hersh mit Neil Young & Crazy Horse die frühe Cat Power zu Musik von Amon Düül 2 mit der Gitarre von Alejandro Escovedo covert, das aber komplett akustisch. Weirdester Long Song des Jahres! Nach so viel kathartischer Entladung kann man nur noch die Klappe halten und mit einem sphärischen Instrumental weitermachen. So machen sie's.

Die magische Flower Power Sixties-Atmosphäre dieser CD baut vollkommen darauf, den Instrumenten ihren Eigenklang zu belassen. Mit Folktronic hat das hier erfrischenderweise also mal gar nichts zu tun, obwohl Ben Lovett von Mumford & Sons zu den Verehrern gehört. Wenig Slow-Mo, derweil viel vom 'Fordernden' von T. Rex und Bowie legt eher nahe, dass Half Moon Run sich am Glam-Rock so beschwippst gehört haben, wie sie hier zum Beispiel in "Jello On My Mind" wirken.

"A Blemish In The Great Light" ist Folk-Pop at its absolutely best. Oder in einem Satz: Die letzte Platte, die so klang, war Americas Song "A Horse With No Name". Habt ihr echt gut gemacht, Mondläufer! Nächstes Mal dürft ihr noch bitte was ganz Neues erfinden und die Welt verändern, dann gibt's alle fünf Sterne. Ah, und: ein Plattencover machen, das halbwegs hübsch ist und zur glam-bunten Musik passt.

Trackliste

  1. 1. Then Again
  2. 2. Favourite Boy
  3. 3. Flesh And Blood
  4. 4. Natural Disaster
  5. 5. Black Diamond
  6. 6. Yani's Song
  7. 7. Razorblade
  8. 8. Undercurrents
  9. 9. Jello On My Mind
  10. 10. New Truth

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