Gestern Abend war Peter Maffay als 'special guest' bei Sing Meinen Song - Das Tauschkonzert, und die Folge fiel tatsächlich etwas aus dem Rahmen.

Grootbos (Südafrika) (phk) - Von einem 'Tausch' kann diesmal nicht die Rede sein, und Schlager-Rocker Peter Maffay nimmt nur einmalig teil, nicht die ganze Staffel lang. Mit Johannes Oerding moderiert auf VOX zudem der Autor vieler Maffay-Stücke, was dem Event einen inzestuösen Touch gibt. Und im Plot, dass sich Joy Denalane oder Eko Fresh Maffay-Nummern zu eigen machen, liegt auch etwas Kurioses. Und doch hatte die gestrige Ausgabe von Sing Meinen Song - Das Tauschkonzert in mancher Hinsicht mehr zu bieten als frühere Folgen.

Anlass für die Aufweichung des Konzepts: Maffay plant seine Abschieds-Tour, wird im Spätsommer runde 75. Vielleicht schien den Verantwortlichen auch die Artist-Zusammensetzung und x-te Teilnahme Oerdings zu schwach für die Einschaltquoten. Maffay sagt, er sei von Johannes, mit dem er befreundet ist, überredet worden.

Soul, Groove und Rhythm'n'Blues statt Schlager

"Ich bin nicht hergekommen mit einer festen Erwartungshaltung" meint der einmalige Gast. Doch schon die erste Darbietung übertrifft wohl auch die Erwartungen, die regelmäßige Follower des Formats haben. Joy Denalane verwandelt "So Bist Du" (1979) in einen "Soul Classic", so sagt sie selbst.

An den tröstenden Worten des Liedtextes erfreuen sich sowohl Joy als auch Peter. Der sagt: "Das ist ein Song, den wir gern spielen. Es gab eigentlich wenige Singles, die es in so eine Position geschafft haben. Es gab eigentlich nur zwei, 'Du' ganz am Anfang, und zehn Jahre später 'So Bist Du'. Ich hab ja eine ziemlich kurvige Strecke hinter mir, mit Schlager, (...) und diese Vergangenheit hing mir nach (...) und ich hab Spaß daran die Leute zu beobachten, was sie mit so einem Song anstellen."

Während Joy ihre Korkenzieher-Locken aus voller Hüfte schüttelt, gelingt es ihr ansteckend gut, die Bedeutung des Songs heraus zu kitzeln. Das Lied handelt von einer On-/Off-Beziehung, obwohl es das Wort dafür in den '70ern noch nicht gab. "Wenn ich schlafe, schläft nur ein Teil von mir / und der andere träumt von dir", fügt Joy poetisch in den alten Text ein, "und gehst du, dann bleibt deine Wärme hier", lautet es ganz süß in den Lyrics. "Eine beeindruckende Version, groovy", lobt Maffay, und bekennt, dass er Denalane sowieso gut finde. Er sei motiviert durch das Cover. "So ausgeprägt in Richtung Soul hab ich das noch nie gehört, und ich freu mich."

"Tiefer" - wie tief genau?

"Groovy" - so findet er komischer Weise auch Tim Bendzkos Neuauflage von "Tiefer". Tim Bendzko versetzt sich zuerst in seine Kindheit zurück, da war er Tabaluga-Fan. Dann kommt er gedanklich in seiner Pubertät an und macht ein paar Bemerkungen über die anzügliche und genussvolle Intimitäts-Schilderung in "Tiefer", womit er für Kichern auf dem südafrikanischen Sofa sorgt. Tim dreht den mittelsoften Song aus dem Maffay-Katalog ins Seichte, aber ohne Groove.

Peter entsinnt sich seiner Anfänge, als Radio Luxemburg den Song "Du" on air einsetzte und seinen Durchbruch langsam vorbereitete. Als er mit nur zwei Nummern Repertoire, nämlich A- und B-Seite, mit seiner Gitarre und einem alten VW die Diskotheken in Westdeutschland abklapperte. Was man so deutlich lange nicht von Maffay gehört hat, aber was Joy und Johannes aus ihm raus kitzeln: Udo Lindenberg, die Stones und der Rhythm'n'Blues, den er bei denen erkannte, waren sein Vorbild Anfang der Siebziger.

Sein Auftritt mit "Samstag Abend In Unserer Straße" betont genau diesen Rhythm and Blues, auch wenn Oerding den als 'Rock'n'Roll' abmoderiert. Die Feinheiten lassen sich nicht klären, "Sing meinen Song" ist und bleibt ein Mainstream-Format und als solches eine Trägerfläche für Reklame, und flugs landen wir zwischen Kalkentferner "für die glänzend saubere Spülmaschine" (warum soll die Maschine glänzen?!), Zahnschmelz-Schutz und Weichspüler ...

Weichspüler passen ja auch zum musikalischen Konzept. In dieses Horn stößt Emilios R'n'B-Version des Tabaluga-Lieds "Nessaja" mit kastratenhaftem Falsettgesang. Joy klatscht mit, Eva wackelt mit dem Kopf, Oerding schiebt im Kutschersitz seinen Oberkörper rhythmisch nach vorne. Maffay selbst schunkelt im Sitzen und ordnet ein: "wirklich einer meiner Key-Songs!". Es ist der mit der Hookline "Irgendwo tief in mir bin ich ein Kind geblieben".

Stichwort Familie: Von "Wenn Wir Uns Wiedersehen" entschlüsseln Oerding und Maffay, dass sie das Lied über den Tod von Peters Papa schrieben, als dieser absehbar war und unmittelbar bevor stand. Das Lied ist trotz seiner tröstenden Haltung unheimlich traurig und sorgt für die Tränen, die stets zum Sendekonzept gehören. Noch mehr Familie: Eva Briegel von Juli widmet "Ich Fühl Wie Du" ihrer Teenie-Tochter. Und Maffay bedankt sich bei Eko Freshs Mama, dass sie sein interkulturelles Engagement zu schätzen weiß. Ekos Version von "Schwarze Linien" lobt er, zögerlich ein Wort suchend, als "sehr spannend!" - Sie ist vor allem mutig und unbeholfen.

Volle Colabüchsen, voll auf die Mütze

Der Abend reicht über die Muppet Show-artige Matinée des Coverns weit hinaus, die Sendung läuft auch eine Stunde länger als sonst. Es gibt viel zu bereden. Zum Beispiel die Episode als Support für die Rolling Stones: "Ich hab die Konsequenzen nicht bedacht, '82, was man alles mitbringen muss, um im Vorprogramm spielen zu können. Und da kriegten wir in Hannover, 35 Grad heiß draußen, auf die Mütze. Das Publikum wollte die Stones hören, und nichts anderes, und wir traten an und spielten Balladen. Und dann gab es so auf die Schnauze, also wirklich, volle Colabüchsen, alles, was du dir so vorstellen kannst, flog auf die Bühne. Wir wurden ausgebuht, spielten aber zuende", entsinnt sich Maffay im Rede-Flow, als wär's gestern gewesen, "und dann haben uns die Medien eingeschenkt, wie du's dir nicht vorstellen kannst, und das zog sich dann über sechs Konzerte hindurch. Und bei dem allerletzten gab es dann endlich Zugaben. (...) Es war das allerbeste Lehrstück, das man haben konnte - bis heute wirkt das!"

Und tatsächlich sieht man die Runde ausnahmsweise sprach- und regungslos, wenn Maffay aus dem Nähkästchen plaudert, sein Geschichtswissen auspackt, über die Besatzung der Philippinen durch Portugal referiert und darüber, wie sein Vater sich mit dem kommunistischen Regime anlegte, und wie das dazu führte, dass Peter heute dort steht, wo er ist.

Es muss Gänsehaut entstehen.

Im Vergleich zu anderen Folgen der Show gestaltet sich diese Ausgabe eher still statt schrill. Der Respekt vor Lebenslauf und -leistung des zu Covernden überlagert etwas die sonst in der Sendung oft krasse Betulichkeit. Sie hätten auch nur talken können, ganz ohne Musik, wirft Oerding ein, als er das Fazit des Abends zieht. In der Tat konnte man eine medial omnipräsente Figur noch mal genauer kennen lernen, als interessanten Erzähler aus einem bewegten Leben, spannender als die meisten seiner Songs.

Am Ende der Folge wird es besonders reflektiert und ruhig. Maffay erwählt dann doch noch ein schlichtes Unplugged-Cover, Oerdings "Blinde Passagiere", zeigt sich betroffen davon, "wie viele Leute auf dieser Welt über finstere Ozeane gleiten, ohne ein Ziel zu haben und im Grunde 'Blinde Passagiere' sind." Das Lied sei "eigentlich eine Anklage an die Menschheit. (...) Musik is ja 'n Filter, durch den man als Ausübender und als Zuhörender geht. Wenn da irgendwann keine Gänsehaut entsteht, dann taugt das Ganze nichts", weiß der Herr der sieben Brücken.

Die Compilation zur Sendung erscheint am Freitag (17. Mai) auf CD und Vinyl. Die nächste Folge in dieser elften Staffel bestreitet Emilio Sakrayas junges Song-Repertoire. Der 27-jährige Schauspieler baut sich gerade eine Karriere als Hyperpop-Variante Majans auf. Emilio hat um die 50 veröffentlichte Songs, zum Vergleich Maffay: über 900!

Fotos

Tim Bendzko, Eko Fresh und Co

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2 Kommentare

  • Vor 12 Tagen

    Nicht ein Wort über BROILERS Frontmann Sammy Amara WOLLT IHR MICH VERARSCHEN

  • Vor 12 Tagen

    Herr Amara wies darauf hin, dass Reden gereicht hätte, nicht der Oerding. Aber Genauigkeit ist ja nicht so euer Ding. Meinung geht halt über Recherche. Ja, und wie mein oben drüber etwas unsensibler angemerkt hat, ihr habt den Mann von den Broilers komplett überhört. Aber vielleicht war das auch gut so. Wer will schon latent zynisch bewertet werden.